Buchtipp von Dr. Elisabeth Skardarasy
Der Zauber des Wieder-Lesens
Der Herbst ist für uns Büchermenschen wohl die spannendste Zeit des Jahres. Eine Neuerscheinung folgt auf die andere, der Nobelpreis für Literatur wird vergeben und schließlich auch der Deutsche Buchpreis, der das Herbst-Highlight des Buchjahres einleitet – die Frankfurter Buchmesse. Hier präsentieren die verschiedensten Verlage aus den unterschiedlichsten Ländern ihre Programme – ein Schlaraffenland für jeden Bücherliebhaber. So sehr ich diese Zeit beruflich liebe, löst sie in meinem privaten Leseverhalten doch immer einen paradoxen Prozess aus: Nach Arbeits- und Neuerscheinungsboom brauche ich eine Lese-Entschleunigung. Das bedeutet für mich: Zurück zu meinen geliebten Klassikern! Aus diesem Grund dreht sich mein aktueller Buchtipp um eine Wiederentdeckung.
Drei meiner absoluten All-time Favourites von Jane Austen: „Stolz und Vorurteil“ | „Emma“ | „Überredung“
Ich liebe die Romane von Jane Austen! Die hier empfohlenen drei Werke gehören zu den Büchern, die ich immer wieder lese. Ganz besonders viel Freude bereitet mir diese Relektüre, wenn es sich um so wunderschöne Ausgaben handelt wie diese aus dem Reclam Verlag!
Die Handlungen der Romane sind meist schnell erklärt, auf den ersten Blick wirken sie wie klassische Liebesromane: Er liebt sie, sie liebt ihn, irgendwer oder irgendwas steht ihrem Glück im Weg und am Ende wird alles gut. Die Beschreibung der Inhalte überlasse ich daher ausnahmsweise dem Verlag, der die Plots wie folgt skizziert:
„Stolz und Vorurteil:
Dieser Roman gehört zu den erfolgreichsten Liebesgeschichten der Weltliteratur. Eine gehörige Portion „Stolz“ muss abgelegt und so manches „Vorurteil“ aus dem Weg geräumt werden, bis Elizabeth und Mr. Darcy endlich ein Paar werden.
Emma:
Emma Woodhouse, Anfang Zwanzig, führt den Haushalt ihres gesundheitlich angeschlagenen Vaters. Das führt zu Missverständnissen und Liebeskummer. Doch nicht zuletzt wegen Emmas Humor lösen sich die Verwirrungen und Verwicklungen in einem guten Ende auf.
Überredung:
Acht Jahre ist es her, dass sich Anne Elliot überreden ließ, den Heiratsantrag Frederick Wentworths zurückzuweisen. Als sich beide eines Tages wieder begegnen, beginnt eine zaghafte Annäherung, die in einer der originellsten Liebeserklärungen der Weltliteratur ihren Höhepunkt findet.“
https://www.reclam.de/detail/978-3-15-030047-3/Austen__Jane/Die_sechs_Romane
Wenn Liebe doch so einfach wäre
So weit, so gut. Aber so banal das auf den ersten Blick vielleicht klingen mag – der Reiz der Bücher Jane Austens entfaltet sich nicht auf der Ebene der Handlung. Was sie so besonders macht, sind ihre Figuren, ihre Sprache und ihr hintergründiger Witz.
Im Zentrum ihrer Geschichten, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstanden sind, stehen stets junge Frauen, deren Hauptziel im Leben darin bestehen sollte, den richtigen Mann zum Heiraten zu finden – und das möglichst im richtigen Alter, mit dem richtigen finanziellen Background und bitte ohne gesellschaftliche Skandale.
Wenn man sich selbst im Weg steht
Bei Jane Austen gestaltet sich die Brautwerbung aber nicht ganz so reibungslos, denn ihre Protagonistinnen sind keine faden Wesen ohne Charakter, sondern haben durchaus ihre eigenen Vorstellungen vom Leben. Ungünstigerweise kommt ihnen letztlich aber doch immer die Liebe dazwischen.
Spannend ist dabei für mich, dass die Hindernisse, die die Paare zu überwinden haben, weniger durch äußere Umstände begründet sind, sondern vielmehr charakterbedingt entstehen. Missverständnisse, persönliche Befindlichkeiten, Stolz und Vorurteile halten sie anfangs von ihrem Glück fern. Um dieses letztlich erreichen zu können, müssen die Romanheldinnen aber nicht von irgendjemandem gerettet werden – die beiden Liebenden sind bei Jane Austen zwischenmenschlich stets auf Augenhöhe. Vielmehr müssen sie selbst sich charakterlich weiterentwickeln. Und siehe da, plötzlich lösen sich auch die äußeren Hindernisse in Wohlgefallen auf.
Wenn die Figurengestaltung ihresgleichen sucht
Was mich an Jane Austens Texten dabei so begeistert, sind ihre Figurenkonzeptionen und ihre feinen Charakterzeichnungen. In den relativ simplen Handlungen gibt die Autorin der Persönlichkeitsentwicklung ihrer Heldinnen so viel Raum, dass man diese von der ersten bis zur letzten Seite nachverfolgen kann. Die Protagonistinnen sind dabei nicht nur mit ihren männlichen Gegenparts konfrontiert, sondern auch von einer Vielzahl an Nebenfiguren umgeben. Und jede davon ist liebevollst ausgestaltet – Austen beschreibt deren Äußeres, deren Charakter und deren Verhalten so bildhaft, dass man diese sofort vor sich sehen kann.
Wenn Emanzipation mit feinster literarischer Klinge geschieht
Der zweite Grund für meine seit vielen Jahren bestehende Bewunderung der Texte Jane Austens ist ihre literarische Qualität. Ihre Sprache bietet alle Zwischentöne von Witz und Ironie, die man bei einer Frau des patriarchal geprägten 19. Jahrhunderts wohl nicht erwarten würde. Obwohl die Handlung äußerlich den traditionellen gesellschaftlichen Gepflogenheiten entspricht, begegnet Austen diesen doch stets mit einem Augenzwinkern. So zeigt sie mit ihren humorvollen und hintergründigen Formulierungen sowie mit ihrem facettenreichen Romanpersonal, wie weit sie ihrer Zeit voraus war.
Über die Autorin
Jane Austen (1775–1817) gehört zu den bedeutendsten britischen Schriftstellerinnen aller Zeiten, die ihre Romane anonym unter dem Titel „by a lady“ veröffentlichte. Austens Hauptwerke wie „Stolz und Vorurteil“ und „Emma“ zählen zu den Klassikern der englischen Literatur. Im Mittelpunkt ihres literarischen Werks steht vielfach die Zerrissenheit junger Damen des gehobenen ländlichen Bürgertums, die zwischen den Erwartungen des Adels und ihrer eigenen Vorstellung von Glück stehen.
https://www.reclam.de/detail/978-3-15-030047-3/Austen__Jane/Die_sechs_Romane
Jane Austen: Die sechs Romane
Emma | Kloster Northanger | Mansfield Park | Stolz und Vorurteil | Überredung | Verstand und Gefühl |
Reclam Verlag
Übersetzt von Ursula Grawe & Christian Grawe
Sechs Bände (gebunden) in Kassette
ISBN: 978-3-15-030047-3