An einem wunderschönen lauen Frühlingsabend treffe ich ihn, gemeinsam mit einer kleinen exklusiven Artissimi-Runde, in seinem Atelier im Weinviertel. Im Gegensatz zu den meisten seiner Werke scheint hier auf den ersten Eindruck nichts monochrom. Im Innenhof seines Hauses blühen verschiedenste Pflanzen, von seiner Frau aus unterschiedlichsten Ländern hier angepflanzt. Sogar zwischen den Steinplatten am Weg dürfen sie ihr Leben genüsslich auskosten. „Bitte nicht drauftreten“, erklingt seine Stimme. Ich hätte mich wahrscheinlich geärgert über diesen Pflanzenwuchs zwischen den Steinplatten des Weges. Und hier? Mir wird klar, ich treffe auf einen ganz besonderen Menschen, einer Sichtweise, die anders ist, ein Gesamtkunstwerk. Das Gesamtkunstwerk eines österreichischen Künstlers: Jakob Gasteiger.
Der Weg war schwierig
Mit 16 Jahren begann der gebürtige Salzburger an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Bühnenbild zu studieren. „Ich war kein guter Schüler, was natürlich an den schlechten Lehrern lag“, erzählt er schmunzelnd. „Aber ich war ein guter Zeichner und es gab in Salzburg keine andere Möglichkeit, Kunst zu studieren. Meine großzügigen Eltern ermöglichten mir diesen Wunsch.“ Im Alter von 20 Jahren schloss er das Studium mit einem Diplom ab. Der Wunsch, Maler zu werden, war nach wie vor vorhanden. Er zog nach Wien und absolvierte eine Grafik-Ausbildung. Schon während seines Studiums in Salzburg arbeitete er bei einem Grafiker in Salzburg. Jetzt war es der ORF, bei dem er sich das nötige Einkommen verdiente. „Ich hatte geheiratet, bekam zur Frau ein Kind dazu und musste eine Scheidung finanzieren. Was man halt so macht im Leben. Zumindest manche.“ Er lacht!
Weil er anfangs kein Geld für ein eigenes Atelier hatte, zog es ihn auf den Dachboden. Farben einfach in der Farbhandlung zu kaufen, das kam für ihn nicht infrage. Aus Asche und dem Schmutz des Dachbodens stellte er sein Material zusammen. „Ich wollte einen anderen Zugang zur Malerei bekommen und zwar über das Material“, betont er. In den 80er-Jahren waren seine monochromen Bilder nicht gefragt, aber der Expressionismus entsprach einfach nicht seinem Wesen. „Ich orientierte mich an der American Minimal-Art, der geometrischen, seriellen Kunst.“ Dabei war das keine bewusste Entscheidung, denn er lies sich einfach treiben, hatte kein Konzept und wusste nicht, was er machen wollte. „Mich interessierte die asiatische oder japanische Kunst und Philosophie. Sie war mir näher als die afrikanische Kunst.“
Endlich – ERFOLG
Ende der 80er-Jahre, Anfang der 90er-Jahre stellten sich erste Erfolge ein. 1990 erhielt er den Faistauer Preis für Malerei, 1995 und 1999 ist Gasteiger Preisträger des österreichischen Grafikwettbewerbs Innsbruck. Mittlerweile sind die Werke des Künstlers in Museen und Galerien in über 300 Einzel- und Ausstellungsbeteiligungen vertreten. 2021 präsentierte eine Soloshow in der Albertina Wien ausgewählte Werke Gasteigers.
Bilder ohne Bedeutung, ohne Titel
Gasteiger schafft Bilder ohne Bedeutung, seine Bilder tragen keine Titel. Aber was bedeutet das nun. „Bilder erzählen immer eine Geschichte. Ich wollte Bilder machen, die bedeutungslos sind. Auch die Farbe hat keine Bedeutung. Ich verwende nicht rot, weil ich verliebt bin, nicht schwarz, wenn ich traurig bin. Die Farbe, die Buntheit hat für mich keine Bedeutung. Es ist nur ein Material, das eine bestimmte Eigenfarbigkeit hat. Der Betrachter macht das Bild. Ich gebe nur die Fläche vor. Der Betrachter interpretiert die Farbigkeit, die Buntheit auf seine Weise. Im Englischen gibt es die Begriffe paint und color. Paint ist das Farbmaterial, color die Buntheit. Ich verwende paint.
Ein Grenzgänger
„Ein Bild besteht aus einem Bildträger wie Leinwand oder Holz, oder was immer, aus einem Material das Farbe ist, aus einer Buntheit und ich habe mir die Frage gestellt, wo ist die Grenze zwischen Malerei und Skulptur. Wenn ich einen Bildkörper sehr dick mache, dann ist das ja ein skulpturales Bildobjekt. Wenn ich Aluminium, Glas, Kupfer oder Eisen in die Farbe mische, in ein Bindemittel, dann verwende ich Material, das eigentlich in der Skulptur verwendet wird, nicht in der Malerei. Ein Aluminiumpigment oder Eisen ist eine skulpturale Auffassung von Malerei. Die braunen Bilder in meiner Galerie enthalten Eisenpigment, sie rosten, solange sie trocknen, oxidieren und sind irgendwann ein Mal rostig, dann ist dieser Prozess abgeschlossen.“
Er hat sich nie als Maler gesehen. Mit all dem, was er verwendet, den Materialien, den Farben, der Buntheit, geht er als Nicht-Maler an seine Arbeit heran. Ein Grenzgänger zwischen Grafik zur Malerei und Malerei, zur Skulptur.
Die Skulpturen
Für seine Skulpturen verwendet er Aluminium. Das Aluminium wird in ein Wasser gegossen, ein Aggregatzustand in einen anderen überführt. „Das ist eigentlich keine skulpturale Arbeit“, betont Gasteiger. „Dieser Prozess hat viel mehr mit Malerei zu tun. Diese Skulpturen kann natürlich jeder machen. Übrigens auch meine Bilder. Auch eine wichtige Frage für mich – die persönliche Handschrift. Von einem Künstler erwartet man immer eine unverkennbare Künstlerklaue, wie das früher geheißen hat. Das hat mich auch nie interessiert. Diese Verweigerungshaltung ist immer da. Ich behaupte etwas und behaupte gleichzeitig das Gegenteil von dem, was ich mache.“
Sein besonderes Werkzeug, die Kammspachtel
„Jedes Bild bekommt eine aus Karton geschnittene Kammspachtel. Vor vielen Jahren, als ich am Dachboden den Dachboden-Schmutz verarbeitet habe, wollte ich nicht mit Pinsel arbeiten. Ich verwendete ein altes Sägeblatt und merkte, dass das eigentlich sehr interessant ist und fing an, aus Karton dieses Werkzeug zu schneiden.
Das Format
Ja, es gibt rechteckige und quadratische Werke von ihm, aber er verwendet auch eine besondere Form: das Tondo. „Das Rechteck oder Quadrat ist in der Malerei ja ein sehr traditionelles Format. Ich habe mich ganz bewusst für das runde Tondo entschieden. Es gibt kein oben, kein unten, alle Punkte vom Rand sind zum Zentrum gleich weit entfernt. Eine Idee der Renaissance.“ Und er erzählt lachend, dass sein Rahmenlieferant seit der Ausstellung in der Albertina noch nie so viele runde Rahmen verkauft hat.
Zum Thema „Monochrome Kunst“
“Der einfachste Zugang zu monochromer Malerei ist, dass man sagt, das ist meditativ. Meine Bilder haben mit Meditation überhaupt nichts zu tun. Überhaupt, die großen Bilder sind ein Kraftakt. Der Betrachter kann es natürlich so sehen, von mir ist es aber nicht so vorgegeben.“
Serien und Auftragsarbeiten
„Ich beginne ein Bild und das nächste Bild bezieht sich auf das vorherige und das nächste wieder auf das davor. So entsteht eine Formensprache, ein Vokabular, eine Farbigkeit, eine Buntheit und wenn ich das Gefühl habe, es wird für mich langweilig, es gibt keine Auseinandersetzung mehr, dann beende ich so eine Serie.“ Auftragswerke lehnt er mittlerweile ab, denn diese behindern ihn in seinem Schaffen. Er macht nur das, was er möchte. Und das gilt auch für Ausstellungen. „Ich habe nie für Ausstellungen gearbeitet, immer nur für mich.“ Dabei möchte er nicht arrogant wirken, betont er.
Was bedeutet Erfolg
„Bestätigung für das, was ich seit 40 Jahren mache. Erfolg ist auch gut für die Eitelkeit. Als Künstler will man natürlich Erfolg haben. Es gibt wenig Berufe, wo man anfängt und nicht weiß, wo man einmal landen wird. Ich wollte ja immer Erfolg haben. Habe immer das gemacht, was ich wollte – wenn der Weg dann auch Erfolg bringt, ist das natürlich wünschenswert.“ Und da ist es wieder. Spiegelt sich in seinem Ausdruck: das Gesamtkunstwerk Jakob Gasteiger.
Artissimi Atelier
Im Rahmen eines exklusiven Artissimi Atelierbesuches, organisiert von Elisabeth Wolf und Christl Bubik, verbrachte ich diesen wunderbaren Abend im Atelier von Jakob Gasteiger.
Nutzen sie die Gelegenheit und schauen sie gleich nach, wann es neue Artissimi Atelier Termine gibt. Sie werden es ganz sicher nicht bereuen!