Der Trachtenkurs
Irgendetwas läuft hier anders. Während andere freitags, um 16:00 Uhr, das heiß ersehnte Wochenende antreten, wird hier im Keller des WIFI Salzburgs, von Innungsmeisterin Christine Schnöll, der Kurs „Trachtenlehrgang zur Herstellung von Originaltrachtenbekleidung“, der Trachtenkurs, wie sie ihn nennt, abgehalten. Man spürt sofort, es ist nicht irgendein Lehrgang, nein, es ist – man könnte sagen – ein legendärer Kurs, einzigartig in seiner Form. Ein Lehrgang der seit Bestehen ausgebucht ist, denn er füllt sich fast ganz automatisch – durch Weiterempfehlungen.

Es geht um Zusatzkönnen
Zahlen fliegen durch die Luft, kurze präzise Anweisungen von Schnöll in verschiedenste Richtungen werden ausgesprochen. Und jedes Wort kommt an, wo es ankommen soll. Alle kennen sich aus. Nur ich nicht. Ich verstehe rein gar nichts. „Sie müssen davon ausgehen, dass die Damen die hier sitzen, lauter ausgebildete Schneiderinnen sind, die mindestens einen Lehrabschluss haben oder schon mehr.“, beruhigt sie mich lächelnd. „Der Kurs richtet sich an Gesellinnen, Meisterinnen oder aliquote Schulabgänger, das sind Leute die z. B. eine fünfjährige Modeschule besucht haben. Es handelt sich um eine Zusatzausbildung bei der spezielles Trachtenhandwerk gelehrt wird“, erzählt sie. Den Abschluss bildet eine kommissionelle Prüfung, bei der die Teilnehmerinnen ein Diplom ausgehändigt bekommen. Wohlgemerkt nach 194 Lehreinheiten, absolviert am Wochenende und meist neben der Arbeit. „Um das geforderte Pensum auch tatsächlich zu schaffen, arbeiten die Teilnehmer noch ca. 600 Stunden zu Hause. Im Minimum“, meint die Innungsmeisterin. Ja und dann wären da noch die Kosten. 1.820 € kostet der Lehrgang, plus Materialkosten, zusätzlich Unterkunft und Reisekosten für jene die von weiter herkommen.






Die Teilnehmerinnen
Diese hauptsächlich jungen Damen, die ich hier kennenlerne, sprühen geradezu vor Begeisterung dem Handwerk gegenüber. Viel nehmen sie auf sich, um sich dieses Wissen anzueignen. Das alte Handwerkswissen wollen sie nicht dem Vergessen preisgeben, meinen sie. Heute sind nicht alle Teilnehmerinnen anwesend. „Am Ende müssen alle ihre Stunden, ihre Werkstücke und Detailarbeiten fertig haben. Aber natürlich nehmen wir auf berufliche Notwendigkeiten Rücksicht und arbeiten sehr flexibel“, verrät die Lehrgangsleiterin.

Nina Orbanowzc
Sie kommt aus Tirol, hat mit 23 Jahren ihren Lehrabschluss gemacht. Als Marketenderin hat sie natürlich Tracht getragen und dabei die Liebe zu diesem Kleidungsstil entdeckt. „Ich sehe zwar nicht so aus, aber mich interessiert die Tradition, dieses alte Wissen, diese wunderschönen Handarbeiten“, lacht sie. Und tatsächlich mit ihren blau, grün, weiß gefärbten Haarspitzen, Tattoos und Piercings im Gesicht, würde man sie nicht unbedingt als Trachtenliebhaberin identifizieren. Aber was sagen schon Äußerlichkeiten über innere Leidenschaft und Zielstrebigkeit. Nina weiß schon ganz genau wo es für sie beruflich hingeht. „Nach dem Lehrgang absolviere ich die Meisterprüfung und dann mache ich mich selbstständig“, meint sie selbstbewusst.

Lisa Rasser
Dass nach der Matura nicht zwingend ein Studium folgen muss, um Erfolg zu haben, das beweist Lisa Rasser. Nicht einen, nein, drei Lehrabschlüsse (Damen-, Herrenschneiderin und Säcklerin) hat sie bereits in der Tasche. Im November 2018 wurde sie Staatsmeisterin im Bewerb „Mode Technologie“. Aber darüber redet sie nicht. Viel wichtiger ist ihr das, was sie schafft. „Ich mache den Kurs aus rein persönlichem Interesse“, erzählt sie strahlend. Und meint weiter: „Die hier gelernten Techniken sind so speziell, so zeitintensiv, das würde im Unternehmen, in dem ich arbeite, zeitmäßig gar nicht umsetzbar sein.“

Hanna Eichbichler
Sie weiß was sie nicht will: Fotografiert werden. Aber natürlich weiß sie auch was sie will und davon erzählt sie sehr gerne. „Ich komme ja aus Bayern und bin in zwei Stunden da. Klar das ich das mache“, erzählt sie schmunzelnd. Hanna arbeitete bereits in der Kostümabteilung am Theater in München, in einem Brautatelier und bei einem Herrenschneider. Die Meisterausbildung hat sie auch schon absolviert. Auf der Suche nach einem Job in ihrer Heimatumgebung landete sie schließlich in einer Änderungsschneider. Anfangs nicht wirklich glücklich darüber „nur“ Änderungen zu machen, ist sie heute dankbar für das umfangreiche Wissen, das sie dort lernt. Nach dem Kurs winkt die Selbstständigkeit. Jetzt arbeitet sie an ihrem ersten Dirndl. Eines das ohne Bluse getragen wird, denn das findet sie modern. Einen Tipp hat sie auch gleich: „Immer auf das Innenleben achten. Wenn das schön gearbeitet ist, dann handelt es sich um gute Qualität.“

Katharina Lutzenberger
Sie kommt aus dem Allgäu und arbeitet nebenberuflich in einem Trachtenladen und dachte sich, es könnte nicht schaden, etwas mehr über dieses Handwerk zu wissen. Natürlich wurde auch ihr der Kurs von Freunden empfohlen. Drei Stunden fährt sie mit dem Zug hierher. Schnell hat es sich herumgesprochen, dass sie jetzt diese Ausbildung macht. Auch der örtliche Trachtenverein wurde hellhörig und hat bereits bei ihr angeklopft. Sie hätten gerne ihre Trachtenbekleidung erneuert. Sie lacht! Auf dem Tisch vor ihr liegen zahlreiche unterschiedlichste Rüschen, die sie bereits in mühseliger Handarbeit angefertigt hat.

Sie spricht von „Kleinen Bogen“, „Herzerlrüsche“, Schiffchenrüsche“, „Hexentreppe“, „Rosmarinrüsche“, „Doppelwelle einfach“ und Froschgoscherln“. „Im Lehrgang wird alles genau erklärt, aber zu Hause muss dann geübt werden, sonst geht sich das mit der Zeit gar nicht aus“, lacht sie. Die Freude mit der sie diese Arbeit macht, ist nicht nur sichtbar, nein, man spürt sie förmlich.

Claudia Ziegler
Als gelernte Schneiderin genießt, Claudia Ziegler bereits den Ruhestand. Aber eigentlich auch wieder nicht, denn jetzt verfeinert sie hier ihre Kenntnisse. „Meine Familie möchte, dass ich ihnen Dirndlkleider nähe, deshalb bin ich da“, erzählt sie. Nichts wird’s mit der Ruhe im sogenannten Ruhestand, aber es scheint, als wäre diese Ruhe eh gar nicht geplant gewesen.
Helden des Alltags
Es gibt so viele davon. Man muss sie nur finden. Immer wieder treffe ich bei meinen Geschichten auf besondere Menschen, Helden des Alltags, wie ich sie nenne. Keine Selbstdarsteller, sondern Leute die etwas leisten. Die Teilnehmerinnen dieses Lehrgangs und natürlich Christine Schnöll, die Lehrgangsleiterin, haben mir gezeigt, wie viel Begeisterung im Trachten-Handwerk stecken kann. Ich freue mich schon sehr auf die festliche Übergabe der Diplome, am 27. Juni 2020, bei der dann alle Werke gezeigt werden. Natürlich werden Sie davon erfahren!
Falls auch Sie jetzt Lust auf diesen Lehrgang bekommen haben: Hier geht’s zum Lehrgang
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