Susanne Bisovsky ist etwas ganz Besonderes! Wenn sie über ihre Berufung spricht, dann spürt man die Leidenschaft mit der sie diese ausübt. Und doch! Es gibt Entwicklungen, die sie gedanklich ins Trudeln bringen. Es fallen Wörter wie Faschingskostüm, Verkleidung, rechtes Gedankengut und Trachtenmode die es billigst bei Tschibo und H&M zu kaufen gibt. Kurze Gedankengänge nur. Schon richtet sie sich wieder auf – störende Faktoren entschlossen beiseiteschiebend, fokussiert sie sich auf ihren Weg, den sie mutig und konsequent mit ihrem Partner Joseph Gerger bestreitet.

Gibt es eine Originaltracht?
Wir sitzen in der Küche an einem alten Tisch vom Flohmarkt. So wie die ganze übrige Einrichtung in diesem Raum zeigt er Charakter und Spuren des Lebens. Bunt zusammengewürfelt reihen sich die verschiedensten Dinge an den Wänden. In Summe ergibt’s ein harmonisches Ganzes, wie alles mit dem sich Susanne Bisovsky umgibt.
Sie ist überzeugt davon, dass es keine Originaltracht gibt, denn ein Original müsste man an einem Zeitfenster festmachen können. „Also, dass irgendwann jemand gesagt hätte, so: das ist jetzt die Originaltracht.“ Für sie besteht der Begriff der Tracht aus einer fortwährenden Entwicklung, einer Gewandsprache. „Originaltracht“ würde dieser konsequenten Weiterentwicklung entgegensprechen. „Tracht ist die langsamere Schwester der Mode“, das ist nach wie vor der beste Ausspruch, weil sich die Tracht einfach langsamer entwickelt, aber vom Grundmodul ähnlich funktioniert“, meint Susanne Bisovsky. „Dass in Aussee das Dirndl mit grünem Laib, rosa Rock und lila Schürze getragen wird sind einfach nur Dinge die auf einen gemeinsamen Nenner gebracht wurden. Begriffe sind halt schnell einmal dahingesagt, werden teilweise recht schludrig (Anm. d. R. nachlässig) verwendet. Es wäre gut, wenn wir uns genauer damit auseinandersetzen würden. Zu schnell landet die Tracht im rechten, im konservativen Eck, was vor ein paar Jahren noch viel brisanter war. Jetzt hat sich Trachtenmode durch die modische Entwicklung ein bisschen freigeschaufelt, aus all diesen Ecken, wo sie nicht hingehört. Und trotzdem – bei verschiedensten fragwürdigen Veranstaltungen wird nach wie vor – leider – gerne auf traditionelle Kleidung zurückgegriffen.“
„Der Ur-Gedanke von Tracht, das von Tragen kommt, ist eigentlich das Arbeitsgewand, das im Kasten hing. Alles Weitere wie das Mieder, der angezogene Rock usw. sind – für die Modeschöpferin – bereits modische Entwicklungen.“

Darf Trachtenmode alles oder gibt es Grenzen. Soll es Grenzen geben?
„Ich unterwerfe alles meiner gefühlten Ästhetik, meinem Bauchgefühl. Alles was in sich stimmig ist, z. B. eine Kombination mit Schuhen die nicht trachtig sind. Es kann alles zusammenkommen, wenn es am Ende ein ästhetisches Ganzes ergibt. Es gibt viel Wichtigeres als die Regeln, die es teilweise gibt. Dass die Schürze z. B. so und so lang sein muss. Wenn die Schürze aus 100 % Polyester oder einem Vorhangstoff gemacht ist, dann wird für mich die Länge zur Nebensache. Deshalb sind diese aufgestellten Regeln für mich fragwürdig, aber das kann ich natürlich nur ganz individuell für mich sagen.“

Trachtenmode und Politik?
„Sicher ist, dass der Zweite Weltkrieg eine ganz wesentliche Rolle gespielt hat. Kurz danach in den 50er, 60er, 70er Jahren wurde Trachtenmode einfach getragen. In den 80/90ern als ich auf der Hochschule für Angewandten Kunst angefangen habe mich mit dem Thema Trachtenmode zu beschäftigen, da gab’s schon Leute, die meinten, wie kannst du dich mit diesem Thema auseinander setzen? Das ist doch absolut rechts gerichtet. Das fand ich wirklich schade! Ich habe mir damals gedacht, dadurch dass ich mich mit dem Thema beschäftige, gebe ich dem rechten Lager und den Konservativen nicht die Chance, sich noch mehr damit zu definieren.“
„Leute wie Hubert von Goisern und andere die sich mit regionalem Kulturgut auseinandersetzen, dieses Thema populär machten, müssen jetzt halt damit leben, dass der Markt auch eine Billigschiene hervorbringt. Ganz viele wollen auf diesen gewinnbringenden Zug aufspringen. Das Problem ist, dass man das Thema dann schon so satt hat, weil es so abgegriffen, so billig wirkt. Das Trachten-Thema trotzdem noch zu mögen und weiter zu verfolgen fällt dann nicht leicht“, meint sie nachdenklich.

Unterschied Trachtenmode – Mode
Während andere nach Antworten auf diese Frage ringen, hat sie sofort eine parat. Und sie scheint logisch: „Nachdem die Trachtenmode die langsamere Schwester der Mode ist, gibt sie ihr manchmal stärker die Hand, dann lässt sie sie wieder mehr los. Mode und Tracht sind Dinge, die sich gegenseitig befruchten. So wie in der Mode die Folklore in kontinuierlichen Abständen eine wichtige Rolle einnimmt. Fragwürdig wird es für mich, wenn ich sehe wie bei Tschibo und H&M Dirndl billigst verkauft werden. Aber der Endpunkt ist wahrscheinlich immer noch nicht erreicht.“
Der Trend tötet kurzfristig eine Bekleidungsform!
„Wenn ich in Wien jemanden in Tracht sehe, dann ist das – anders wie im Ausseerland oder in Salzburg, wo Tracht getragen wird – ein Faschingsgwand, eine Verkleidung für einen Anlass, wo’s lustig ist, wo der Ballermann herrscht. Ich kann es in Wien nicht anders ausmachen. Wenn man dann die Dirndl im Fetischshop kaufen kann, bei denen ich fast keinen Materialunterschied mehr erkennen kann, dann wird’s mir zu viel. Obwohl, es ist immerhin ein so starkes Klischee, das es so weit gebracht hat.“ Ein spannender Gedanke! „Den jetzigen Trend zur hochgeschlossenen Bluse finde ich wirklich witzig. Konnte man davor den Ausschnitt gar nicht tief, den Rock nicht kurz genug machen, so ist jetzt Prüderie angesagt. Diese wellenartigen Veränderungen zeigen doch ganz klar, dass der Modemarkt sehr stark mitrührt. Wo soll man da noch von Originalen sprechen?“

Was sie sich wünscht
Susanne Bisovsky wünscht sich, dass sich die Leute selbst ein Gewandbild erschaffen, in dem sie sich wohlfühlen. Sie sagt, jeder sollte für sich selbst einen eigenen Stil kreieren und sich nicht aufoktroyieren lassen: Es muss so und so sein – wieder eine Regel. „Die Leute wollen sich anscheinend stark anhalten an Dingen, wahrscheinlich aus Unsicherheit. Die Tracht bietet da natürlich eine Hilfestellung, wenn es heißt, da muss der Knopf hin, weil da war er schon seit Jahren. Was ja wieder zu hinterfragen wäre“, meint sie lächelnd.
Faszinierend findet sie, dass es in Österreich, Deutschland und in Teilen der Schweiz einen Markt gibt, der sich einem traditionellem Kleidungsstück widmet. Und fügt hinzu: „Es gibt keine anderen Länder, die es geschafft haben mit einem Bekleidungsstück einen eigenen Wirtschaftszweig zu bedienen.“
Nach all den Jahren als Modeschöpferin ist sie dem Thema gegenüber kritischer geworden. So viele Worte wurden schon gesprochen teilweise verstanden, größtenteils unverstanden. „Ich kann einfach nicht sagen: Das Dirndl steht jeder Frau. Ich möchte die Dinge ganz real betrachten dürfen. Leider wird die Tracht ja sehr oft auf Dirndl und Lederhose reduziert, aber mich interessiert das weite Spektrum der Gewandformen drumherum. Ich will nicht reduziert werden auf diese Dirndl/Lederhosen-Schublade. Das deutsche Buch „Trachten“ fotografiert von Gregor Hohenberg zeigt die wunderbare Vielfältigkeit der Trachten. Auch wir haben so unglaublich schöne Trachten in Österreich. Die Bregenzerwälder Tracht zum Beispiel.“
Es gibt einfach mehr und bei diesem „Mehr“ fange ich erst an, bei meinen Überlegungen, warm zu laufen.

Ihr persönliches Markenzeichen – das Kopftuch
Alles fing damit an, dass ihre Mutter ihr in der Kindheit immer ein Kopftuch aufsetzte, unterm Kinn gebunden. „Ich hatte so oft Mumps und alle möglichen Infektionskrankheiten, erklärt sie. Mit 12 Jahren habe ich begonnen das Tuch im Nacken zu binden und bin mir wunderschön vorgekommen.“ Seit dem trägt sie immer Kopftuch und findet diese Art der Umrahmung ihres Gesichts schlüssiger als das Haar. „Und es ist so praktisch. Ich würde narrisch (Anm. d. R. verrückt) werden, wenn mir bei der Arbeit die Haare ins Gesicht fielen.“
Susanne Bisovsky
Jean-Charles de Castelbajc, Marc Bohan, Vivienne Westwood und Helmut Lang, alles Modegrößen die die gebürtige Oberösterreicherin Susanne Bisovsky prägten. Ihre Diplomarbeit „Be tracht ung“ wurde mehrfach ausgezeichnet und sie erhielt das erstmals ausgelobte Fred Adlmüller-Stipendium. Ihr „Dress of the Year 1995“ (eine Weiterentwicklung ihrer speziellen Latex-Technologie für Helmut Lang) war Teil der ersten großen Modeausstellung des Museums of Modern Art in New York im Jahr 2017. Sie arbeitete für das Mode-Label Kathleen Madden und Sportalm/Kitzbühel. Für die Porzellanmanufaktur Augarten produzierte sie das Porcelain-Shirt. 2010 wurde der Österreichpavillion der Expo 2010 in Shanghai von ihr ausgestattet. Auch als Kostümbildnerin machte sie sich einen Namen. So arbeitete sie bereits für die Salzburger Festspiele (2013, „Labyrinth, der Zauberflöte Zweyter Theil“) sowie das Teatro alla Scala in Mailand (2017, „Il Franco Cacciatore“).
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