Er lacht viel und gerne. Auch dann, wenn ihm nicht wirklich zum Lachen zu Mute ist. Jan Meier betritt die Küche im vierten Stock des Hauses für Mozart. „Heute ist viel los, aber wir schaffen das“, meint er. Er kommt direkt vom Flughafen, wo er Mel Page abgeholt hat.
Das Team „Lear“
Sie ist aus Amsterdam angereist. In diesem Sommer ist sie die zuständige Kostümbildnerin für die Oper „Lear“, unter der Regie von Simon Stone. Mel Page ist zum ersten Mal in Salzburg und schon der kurze Weg vom Flughafen hierher hat sie schwer begeistert. „Es ist wunderbar hier. Ich wusste nicht, dass Salzburg so schön ist.“ Mit großen Augen erzählt sie, dass sie sich sehr auf diese Herausforderung in Salzburg freut. „Diese Oper wird richtig brutal, es fließt Blut, viel Blut“, sagt sie und streckt demonstrativ ihre Arme nach vorne. Die Bestimmtheit, mit der sie diese Aussage trifft, lässt keinen Zweifel daran, dass sie schon jetzt ein Bild von den Kostümen hat. Dabei passt diese kleine, zarte, ja fast zerbrechlich wirkende Person mit den wirren, dunklen Haaren so gar nicht in das von ihr gezeichnete, rauhe Bild. Schon bringt Jan Meier den nächsten Mitarbeiter zur Tür herein. „Das ist Adrian Stampf. Er kommt direkt aus Berlin“, sagt er. „Adrian Stampf wird als Kostümbildner Assistent für die Oper arbeiten. Ich versammle hier einmal alle in der Küche und hole euch dann zu einem Rundgang ab“, und schon ist er wieder weg. Bisher hatten sie nur schriftlichen Kontakt, die Kostümbildnerin und ihr Assistent. Jetzt lernen sie sich zum ersten Mal persönlich kennen, in der Küche der Kostümabteilung. Und die Chemie zwischen den beiden stimmt von Anfang an.
Privat ist Salzburg schwierig
Jan Meier, der Kostümchef, kommt aus dem Ruhrgebiet. Es ist dort groß, dreckig und menschlich, wie er erzählt. Es klingt etwas verbittert dieses – dort ist es menschlich. „Also ich finde die Umgebung hier wirklich schön. Salzburg ist halt wahnsinnig klein und ja, schon sehr schön, sehr theatral. Ich weiß nicht, ob es jetzt am Salzburger an sich liegt, aber man kommt nicht so schnell mit den Leuten in Kontakt. Das finde ich schade.
Einfach ist hier gar nichts
„Das Lear Team zu mir, wir machen den Rundgang.“ Jan Meier holt seine neu geformte Truppe „Lear“ zum Rundgang ab. Schneiderei, Wäscherei, der Blick von oben auf die Bühne der Felsenreitschule, der Balkon mit atemberaubendem Salzburg Blick, das Kostümarchiv und die Anprobenräume, alles wird gezeigt. „Hier ist es wunderbar, aber ich werde niemals wieder zurückfinden“, stöhnt Mel Page. Der Weg führt über ein Wirrwarr von Gängen, Stiegen, Türen und Räumen. Viele Personen die für alles Mögliche zuständig sind, werden vorgestellt. Ganzjährig sind es 34 Mitarbeiter, die in der Schneiderei, der Produktion, dem Einkauf, der Weißnäherei, dem Fundus, der Wäscherei und der Färberei arbeiten. Während der Saison schnellt die Mitarbeiterzahl auf bis zu 100 an, je nach Produktion.
Stolz auf sein Team
Im Herbst 2015 hat Jan Meier die Leitung der Abteilung für Kostüme und Masken übernommen und er ist sichtlich stolz darauf. „Salzburg, im Sinne der Festspiele, ist groß. Wie ein großes Schiff. Aber immer noch Theater“, meint er und lacht. „Wir haben hier die besten Leute. Ich bin jeden Tag dankbar für diese Werkstätten und die Leute, die das alles umsetzten und vor allem – wie sie es umsetzen. Auf diesem Niveau zu arbeiten, das ist schon etwas sehr Besonderes.“
Es will geprobt sein
In den Anproberäumen im 5. Stock des Hauses für Mozart finden heute schon seit den frühen Morgenstunden Anproben für die Oper „Ariodante“ statt. Vor kurzem wurde hier alles saniert. Der Umbau ist noch immer nicht ganz fertig. Es riecht nach Farbe und nach Holz. Größtenteils fehlen noch die Möbel, was eine ordentliche Unordnung zur Folge hat. Auch gibt es noch nicht genug Ablageflächen und so muss der neu verlegte Boden für alles herhalten. Momentan werden zwei Räume, die mit einer Schiebetür voneinander getrennt sind, genützt. Auch Jan Meier wird umsiedeln. In einen dieser Räume. Größer und heller ist es hier und außerdem ist er dann mitten im Geschehen, wie er betont.
Jeder hat seinen Platz
In Summe werden 11 Herren und 13 Damen des Bachchors für ihren Auftritt eingekleidet. Es herrscht konzentrierte Aufmerksamkeit und der Fokus liegt einzig und allein auf den Passformen. Das Team besteht aus der Kostümbildnerin – sie überwacht alles und hat künstlerisch das letzte Wort, ihrer Assistentin – sie wird nicht müde nach den passenden Schuhen bzw. Sakkos zu suchen, dem ersten und dem zweiten Gewandmeister – sie stecken ab, bei Neuanfertigungen machen sie den Zuschnitt und sie bilden die Schnittstelle in die Schneiderei. Ja und dann gibt es noch die Produktionsleiterin, – sie ist für die Terminkoordination und Dokumentation zuständig und das bei mehreren Produktionen. Jede Funktion ist ganz klar abgesteckt und bis ins kleinste Detail geklärt.
Probieren nach Maß
Für „Ariodante“ bekommen die Herren zwei Outfits einen schwarzen Anzug, einen Politikeranzug, wie das hier ironisch heißt, und einen Smoking. Gerade lässt ein junger Chorsänger aus Kroatien geduldig die Prozedur über sich ergehen. „Jeder Anzug muss sitzen. Das ist aufgrund der vielen verschiedenen Figuren eine schwierige Aufgabe“, meint die Kostümbildnerin. Dabei ruht ihr Blick auf der Armlänge, die noch nicht ganz ihren Vorstellungen entspricht.Es wird viel gelacht, die Stimmung im Team ist außerordentlich gut. Endlich, der junge, schlanke Mann aus Kroatien hat’s geschafft. Zumindest bis zur nächsten Anprobe. Kaum hat er den Raum verlassen, ist schon der nächste Kandidat an der Reihe. Ein Salzburger, Christian Sch., mit Rundungen. Lackschuhe hat er im wahren Leben noch nie getragen und der Kummerbund ist ihm ebenfalls fremd. „Der Kummerbund richtet viel“, meint Gregor K., erster Gewandmeister und alle schmunzeln. Die Hose passt. Jetzt das Sakko. Es passt gar nicht. Sofort wird auf den vorbereiteten Kleiderstangen, auf der sich zahlreiche Sakkos aneinanderreihen, nach einem anderen Modell gesucht. Sakko an, Sakko aus, Sakko an und wieder aus. Es wird über kurz- und langestellte Formen diskutiert, ob ein Doppelreiher oder doch ein Einreiher die beste Lösung bietet und schließlich die einhellige Meinung: ein Fall für Dressmann, was soviel wie Neukauf bedeutet. Und das zu günstigsten Preisen. Das Budget ist knapp.
Alles wird festgehalten
Jeder Darsteller wird im perfekt abgesteckten Outfit von der Produktionsleiterin bildlich festgehalten. Zur Erinnerung. In den Endproben wird sogar das Licht in Bühnenlicht ausgetauscht. „Das Licht kann die Farbe der Kostüme wesentlich verändern. Wir wollen auf der Bühne dann keine Überraschungen erleben“, erklärt die Produktionsleiterin.
Es kann schwierig werden
Jan Meier ist überzeugt: „Im Grunde gibt es hier nichts, was man nicht schafft. Man erreicht vielleicht seinen Anspruch nicht immer, aber im großen und ganzen ist alles machbar. “Im letzten Jahr war der Bär in der Oper „Exterminating Angle“ so ein unerreichter Anspruch. „Geplant war, dass der Bär steht, das gelang aber nicht. Also musste er auf allen vieren gehen. Erst in der Probe mussten wir besprechen, wie wir die richtige Balance finden, damit der Kopf nicht immer nach unten hing. Das hat mich richtig geärgert. Und dann war der Darsteller klaustrophobisch und wir mussten einen neuen finden.“ Jetzt noch spürt man den Ärger von damals in ihm aufkeimen, so sehr lebt er seinen Beruf. „Wenn es mein Auftrag ist, einen realen Bären zu schaffen, in einer theatralen Übersetzung selbstverständlich, dann müssen wir das schaffen. Wir haben uns soviel Mühe gegeben, aber das Endergebnis erfüllte nicht meinen Anspruch. Und jedes Mal wenn dieser Bär auf die Bühne kam, habe ich gedacht – mein Gott schon wieder dieser blöde Bär!“