Mit schnellen Schritten kommt sie an. Im Schlepptau einen zerknirscht wirkenden Herren. „Wenn Sie mir bis Freitag eine Lösung finden, bin ich am Wochenende in Champagnerlaune“, spricht sie und schon ist er verabschiedet, der Herr mit dem Lösungsauftrag. Ihr Tagesablauf ist präzise durchorganisiert und ihre Zeit ist knapp. Seit 1995 steht sie an der Spitze der Salzburger Festspiele und soeben, wurde ihr Vertrag – einstimmig – bis 2020 verlängert. Zum Thema Dresscode hat sie folgendes zu sagen:
Gibt es einen offiziellen Dresscode bei den Salzburger Festspielen?
Nein, den gibt es nicht. Es gibt einen Dresscode, der sich gleichzeitig mit dem Mythos Salzburger Festspiele entwickelt hat. Max Reinhardt, einer der Gründer der Salzburger Festspiele war auch ein großer Arrangeur von Festen und um den Festen den passenden Rahmen zu geben, kaufte er sich Schloss Leopoldskron. Seine Feste dort waren legendär und die Besucher, vorwiegend Künstler, kamen festlich gekleidet in langen Roben. Von Max Reinhardt stammt auch die Aussage: „Damit das Theater jenes Feuer entfachen kann, zu dem es fähig ist, müssen nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Publikum die besten sein.“ Damit meinte er jene, die Ohren haben, um zu hören und Augen um zu sehen. Natürlich wünschen wir uns, dass unser Publikum besonders schön angezogen ist und durch die Art wie es sich kleidet zeigt, dass dieses Fest ein besonderes Fest ist.
Beeinflussen die Spielstätten die Kleiderwahl?
Ja! Auf der Perner Insel werde ich sicher nicht in der langen Abendrobe erscheinen. Aber in der Oper oder einer Premiere, freuen wir uns über festlich gekleidete Leute. Es ist hier in Salzburg sicher nicht so wie in diversen großen Städten, wo das Publikum im Alltagsgewand erscheint.
Stellen Sie Veränderungen in der Bekleidung des Publikumsfest?
Ganz offen gesagt – leider ja! Durch das Familienunternehmen Resmann, das 1952 von meinem Großvater gegründet wurde, habe ich einen modischen Background und ich weiß, dass der Erfolg unseres Unternehmens unter anderem daran lag, dass die Festspielgäste im kleinen Salzburg ihre Festspielroben kauften. Heute ziehen sich die Leute nicht mehr besonders an, wenn sie so etwas Besonderes wie die Festspiele besuchen und das finde ich sehr schade.
Ist es schwieriger geworden, sich schön zu machen? Auch aus gesellschaftlicher Sicht?
Zum einen ist es viel leichter geworden, weil Kleidung viel billiger geworden ist. Wenn sie von H&M um € 39,– ein schlichtes, schwarzes Kleid anziehen, dazu Schmuck kombinieren, kann das ganz schick aussehen. Das hat es in meiner Jugend nicht gegeben. Zum anderen gibt es aber Menschen, die geradezu zeigen wollen, dass sie sich nicht in einen vermeintlichen Dresscode zwängen lassen, trotz teurer Karten. Letztes Jahr ist mir das passiert. Da saß ein Herr auf den teuersten Plätzen mit einer khakifarbenen Hose und einem khakifarbenen Lacoste Shirt. Er fand sich damit offensichtlich sehr lässig.
Sprechen Sie so jemanden an oder leiden Sie still?
Ich leide still.
Inwieweit fühlt sich die Festspielleitung für ihr Publikum verantwortlich? Wäre es nicht ein schöner Servicegedanke, dem Publikum auf der Webseite Anregungen für mögliche Outfits zu geben?
Ja, das ist eine Überlegung wert. Zum einen wissen die Leute ja nicht mehr, was sie anziehen sollen, aber zum anderen – eine uns nicht immer wohl gesonnene Journalistik würde dann sagen – wir haben es schon immer gewusst, bei den Festspielen ist das Anziehen wichtiger als der künstlerische Inhalt.
Künstler versus Prominenz – so mancher Besucher nutzt das Festival zur Selbstinszenierung. Will die Festspielleitung dem entgegenwirken?
Wir wollen da nicht eingreifen. Ich finde das eine ungeheure, überhebliche Idee zu sagen, ich bestimme, wer mein Publikum ist. Es gibt einen schönen Satz von Friedrich Sieburg: „Elite entsteht durch Leistung, Prominenz durch Beifall.“ Das gefällt mir sehr gut. Wir haben Prominente, wen immer man dafür hält, im Publikum. Prominent sind aber auch Leute, die sehr viel geleistet haben. Diese Personen müsste man eigentlich als Elite bezeichnen. Aber Elite ist ja heute in Verruf gekommen, weil die Leute unter diesem Begriff etwas Falsches verstehen. Also ich freue mich sehr, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel oder ein wichtiger Schauspieler im Publikum sitzen. Das gibt dem Festival noch mehr Stimmung.
Zur Person
Die Präsidentin Dr. Helga Rabl-Stadler studierte Jus und Publizistik, war Journalistin, Nationalratsabgeordnete der ÖVP, Vizepräsident in der Wirtschaftskammer und Miteigentümerin des Modehauses Resmann. Sie ist gebürtige Salzburgerin, hat zwei Söhne und lebt in Salzburg.