Irgendwie mittendrin und doch ein wenig versteckt, befindet sich ihr kleiner Handwerksbetrieb. Genau genommen im ersten Stock, Getreidegasse 30. Die Tür zur Werkstatt steht offen und schon kommt mir Christina Roth entgegen – die sympathische Taschnerin aus Leidenschaft.

Berufliche Umwege
Eigentlich könnte sie es sich viel leichter machen. Den quasi sicheren Weg wählen. Nach zwei wirtschaftlich orientierten, abgeschlossenen Studien, war bzw. wäre ihr ein Job, mit sicherem Einkommen, fast garantiert. Und anfangs war es auch die berufliche Gerade, die sie wählte. Aber genau der erste Job brachte, damals noch unbewusst, die Wende. „Zum Arbeitsantritt wollte ich mir eine klassische Handtasche kaufen, eine die nicht jeder hatte, keine Markenhandtasche, wie sie alle kennen“, erzählt die Steirerin. In Wien fand sie eine Taschnerin, die ihr die Tasche, genau nach ihren Ideen, anfertigte. Die Tasche gefiel, aber die Ausarbeitung war dann doch nicht ganz so, wie sie es sich vorgestellt hatte. Mehrere Leute sprachen sie auf ihre besondere Tasche an und schon ging das betriebswirtschaftlich geschulte Denken mit ihr durch. Das Geschäftsmodell „Lederwaren in Handarbeit“war geboren und wollte sie nicht mehr loslassen.

Alles begann in Salzburg
An ihrem Arbeitsort Salzburg, sie war für ein Salzburger Unternehmen im Projektmanagement tätig, lernte sie Mark Kainberger, einen begnadeten Taschner, kennen. In seiner Werkstatt in der Goldgasse durfte sie ihm über die Schulter schauen. „Jeden arbeitsfreien Samstag war ich beim ihm und fing an dieses Handwerk zu lernen“, schmunzelt die Taschnerin. Schnell erkannte sie, wieviel Handwerkskunst in diesem Gewerbe steckt. Ihre zarten Hände weisen schon zahlreiche Narben auf. Und jede dieser Blessuren hat ihre Entstehungsgeschichte, die sich fest ihn ihrem Gedächtnis eingenistet hat. „Die Arbeit ist eine Kombination aus Extremen. Einerseits ist es ganz, ganz feine Arbeit. Es geht hier nicht um Millimeter, es geht um 0,1 mm, und auf der anderen Seite ist es eine sehr schwere Arbeit. Meist stehe ich den ganzen Tag, trage schwer, ziehe und hämmere“, erzählt sie. Und wenn man sie so ansieht, würde man ihren zierlichen Körpermaßen, diese „Manneskraft“ gar nicht zutrauen.


Zurück auf die Schulbank
Die gewerbliche Tätigkeit der Sattlerei (Reitsportsattlerei, Taschnerin, Fahrzeugsattlerei) ist ein reglementiertes Gewerbe, das nur mit einem Befähigungsnachweis ausgeführt werden darf. Und das bedeutete für Christina – zurück auf die Schulbank. Mittlerweile hatte sie ihren zweiten Job, bei einem Start-up in Wien, an den Nagel gehängt und begab sich nun nach Lilienfeld, um die Berufsschule zu besuchen. Nach 1 1/2 Jahren und einer großen finanziellen Investition rund um ihre Ausbildung, beendete sie die Taschnerlehre im Sommer 2019.


Ihr ganzer Stolz
„Ich lerne immer noch, und zwar mit jedem neuen Auftrag“, meint sie demütig. „Es ist mir auch schon passiert, dass ich nach 40 Stunden Arbeit an einem Stück irgendwo reinschneide und alles beginnt wieder von vorne.“ Es scheint, als könnte sie absolut nichts von ihrem Traumberuf abbringen. Ihre gesamten finanziellen Ausgaben beschränken sich auf Essen und Wohnen. Sogar die Haare schneidet sie sich selbst. „Hätte ich nicht meine Ersparnisse aus den vorherigen Jobs, würde es schon schwierig werden. Aber ich denke langfristig“, stellt sie überzeugt fest. In ihrer Werkstatt fertigt sie Uhrenarmbänder, Gürtel, Schreibtischunterlagen, Getränkeuntersetzer, Tischsets, Geldbörsen, Handyhüllen, Kosmetiktaschen, Taschen bis zur Reisetasche, also alles, was mit Leder zu tun hat. Dabei geht sie ganz genau auf die Wünsche der Kunden ein. Das Leder bekommt sie aus Gerbereien aus Österreich, Deutschland, Frankreich und Italien. Der Auftritt in den sozialen Medien ermöglicht ihr, zu zeigen, was sie kann, wie sie arbeitet. Und das bei einer großen Reichweite.
„Am Anfang verdient man wenig bis nichts, aber dafür schaffe ich mir eine gute Basis. Und irgendwann…..
Christina Roth

Die Taschnerin
Sollten sie in nächster Zukunft eine Handyhülle, eine besondere Tasche nach ihren Vorstellungen, eine Reparatur ihrer Geldbörse oder irgendetwas aus Leder benötigen, dann wissen sie bestimmt wo sie hingehen. Es gibt da in der Getreidegasse 30, mitten in der Salzburger Altstadt eine junge Dame, die ich ihnen wirklich ans Herz lege. Sie ist gelernte Taschnerin. Und wenn es nach ihr geht, wird sie noch viele Lehrlinge ausbilden. Viele TaschnerInnen, die diesen Handwerksberuf weiterleben lassen.